Ein Blick in die irische Geschichte
Irland ist seit Jahrtausenden bewohnt. Aber erst die Ankunft der Kelten schuf die Grundlage dessen, was wir heute als irische Kultur kennen.
Frühgeschichte
Menschliches Leben ist auf der irischen Insel seit 8000 v. Chr. nachgewiesen. Etwa 1000 v. Chr. besiedeln die Kelten die grüne Insel. Die Kelten teilten Irland in fünf Provinzen und etwa 150 kleine Königreiche auf. Vier dieser historischen Provinzen existieren bis zum heutigen Tag. Jede Provinz wurde von einer Familie oder einem Clan kontrolliert. Politische Einheit gab es zwischen den Provinzen nicht. Sie bildeten jedoch auf Grund einer gemeinsamen Sprache, einer gemeinsamen Kultur und einer irlandweiten Religion (Druidismus) eine Einheit. Ein umfassendes Gesetzeswerk regelte das Zusammenleben auf der Insel. Lokale Strukturen, Familien und Clans hatten darin eine große Bedeutung.
Auch die Wikinger hinterließen ihre Spuren in Irland. Sie gründeten Städte an der Irischen See, wie zum Beispiel Dublin im Jahr 841 n. Chr. oder Wexford um 800 n. Chr., und führten die Geldwährung in Irland ein. Die keltische Gesellschaft basierte auf Tauschhandel von Gütern und Dienstleistungen. Angesichts der zunehmenden Macht der Wikinger einigten sich die zerstrittenen irischen Könige. Im Jahr 1014 besiegten sie unter Führung ihres Königs Brian Boru die Wikinger in der Schlacht von Clontarf. Die militärische Vormachtstellung der Wikinger war damit gebrochen, ihr wirtschaftlicher Einfluss blieb jedoch noch lange Zeit bestehen.
Plantation – Vertreibung der Ureinwohner
Eine weitere Invasion sollte jedoch mehr Einfluss auf die Entwicklung in Irland haben als jede andere. Die Ankunft der Anglonormannen im Jahr 1169 ist der Beginn jahrhundertelanger Kämpfe zwischen Iren und den englischen Invasoren. Die englischen Eindringlinge raubten große Ländereien, auf denen sie Burgen bauten, um ihre Eroberungen zu verteidigen. Sie brachten das Feudalsystem nach Irland. Dieses neue System war mit der Art, in der die Kelten ihre Gemeinden organisierten, nicht vereinbar. Die irischen Ureinwohner akzeptierten den englischen Herrschaftsanspruch nicht. Wiederholt attackierten sie Dublin, das administrative Zentrum der britischen Herrschaft in Irland. Die Engländer verteidigten Dublin und Umgebung durch besondere Befestigungsanlagen, die „the Pale (der Zaun)“ genannt wurden. „Beyond the pale (außerhalb des Zauns)“ wurde zum Ausdruck für Gebiete, die die englischen Eroberer nicht kontrollierten.
Viele Angriffe kamen aus der nördlichen Provinz Ulster. Um diese Angriffe zu stoppen und aufsässige Iren durch loyale Untertanen zu ersetzen, begann der britische König James I., Anfang des 17. Jahrhunderts mit der „Plantation of Ulster“. „Plantation“ heisst „Bepflanzung“ und in diesem Sinne wurden irische Bauern im großen Stil von ihrem Land vertrieben. Das Land wurde enteignet und englischen und schottischen Siedlern zugesprochen. Die darauf folgende irlandweite Revolte des Jahres 1641 wurde von Oliver Cromwell auf brutale Weise unterdrückt. „Penalty laws (Strafgesetze)“ regelten die Entrechtung der irischen Ureinwohner.
Emanzipationsbewegungen und die große Hungersnot
Die Gründung der United Irishmen (Vereinigte Iren) im Jahr 1792 wird als die Geburtsstunde der irisch-republikanischen Bewegung gesehen, die sich für irische Unabhängigkeit und eine gerechte Gesellschaft einsetzt. Unter der Führung von Theobald Wolfe Tone, einem Protestanten aus Dublin, planten die United Irishmen einen Aufstand. Sie wollten die Verbindung zu Großbritannien gewaltsam kappen und appellierten an die Einheit aller irischen Bürger. „Katholiken, Protestanten und Atheisten“ sollten sich gemeinsam für die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien einsetzen.
Die 1798 Revolution wurde blutig niedergeschlagen, aber der Mythos Wolfe Tone lebt bis zum heutigen Tage fort. Nach dem niedergeschlagenen Aufstand der United Irishmen beendete London die wenige Autonomie, die das Dubliner Parlament besaß und gründete das United Kingdom of Great Britain and Ireland, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland. Die Fahne des Vereinigten Königreichs war der Union Jack. In Irland und in anderen Kolonien des britischen Königreichs wurde die Fahne wegen der Grausamkeit und Brutalität der Kolonialherren als „butcher’s apron (Metzgerschürze)“ bezeichnet.
Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert weiterer irischer Aufstände und eines wachsenden irischen Selbstbewusstseins, das auch in der Belebung der irischen Sprache, der keltischen Kultur und des Sports seinen Ausdruck fand. Mitte des 19. Jahrhunderts traf die katholischen Kleinstpächter, deren Hauptnahrungsmittel Kartoffeln waren, eine Katastrophe. „An Gorta Mor – der große Hunger“ nennen die Iren die Hungersnot, die die Landbevölkerung von 1845-52 heimsuchte. Pilzbefall verwandelte die geernteten Kartoffeln innerhalb kürzester Zeit in übel riechenden, ungenießbaren Matsch. Mehr als eine Million Menschen verhungerten, eine weitere Million emigrierte, zum Großteil nach Amerika. Dabei waren Lebensmittel in großem Umfang vorhanden. Die Besitzer der großen irischen Ländereien produzierten große Mengen an Getreide, Fleisch und Fisch für den eigenen Bedarf und für den Export.
Auf dem Weg zur Unabhängigkeit Irlands
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Vielfalt an progressiven Organisationen. Republikanisch gesinnte, patriotische Verbände, progressive Gewerkschaften, feministische Organisationen, Sozialist/innen, irische Sport- und Sprachaktivist/inn/en diskutierten über Freiheit und Selbstbestimmung für Irland. Am Ostermontag des Jahres 1916, der auf den 24. April fiel, gab es einen neuen Aufstand. Auf den Stufen des General Post Office (GPO), des Hauptpostamts in Dublin, verkündete Padraig Pearse im Namen der provisorischen Regierung Irlands die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien und „den Besitzanspruch des irischen Volkes auf Irland, auf die uneingeschränkte Kontrolle über die Geschicke Irlands, auf Souveränität und deren Unantastbarkeit“.
Großbritannien schlug mit einer gewaltigen Militärmacht zurück, beendete den Aufstand nach 5 Tagen und exekutierte die Anführer innerhalb weniger Wochen. Doch der Osteraufstand sollte trotzdem der Beginn einer radikalen Änderung der irischen Geschichte werden. Bei den Wahlen von 1918 errang Sinn Féin (Wir selbst) einen überwältigenden Sieg. Die 1905 gegründete Partei gewann mit der Forderung nach nationaler Unabhängigkeit und einer irischen Republik 73 der insgesamt 105 Sitze. Der Wahlausgang führte 1919 zur Gründung des ersten unabhängigen irischen Parlaments, dem „First Dáil“.
Großbritanniens akzeptierte dessen Unabhängigkeitserklärung nicht und schlug mit geballter Militärmacht zu. Von 1919-1921 tobte ein blutiger Krieg, der als Tan-Krieg oder irischer Unabhängigkeitskrieg in die Geschichte einging. Großbritannien konnte diesmal das irische Freiheitsstreben nicht brechen. Der Krieg wurde durch die Unterzeichnung des Anglo Irish Treaty, einen Vertrag beider Regierungen, beendet. Für die irische Regierung unterzeichnete Michael Collins, der als Oberbefehlshaber und Stratege der IRA (Irish Republican Army) Großbritannien durch einen erfolgreichen Guerillakrieg an den Verhandlungstisch gezwungen hatte. Der anglo-irische Vertrag gewährte Irland den Status eines Freistaates, allerdings nicht der ganzen Insel. 6 der insgesamt 32 irischen Counties (Grafschaften) im Nordosten, Teile der historischen Provinz Ulster, verblieben in den Händen Großbritanniens.
Die Zustimmung zur Spaltung Irlands führte zu einem bitteren Bürgerkrieg, als dessen Folge Fianna Fáil und Fine Gael als politische Parteien entstanden, die die irische Politik bis zur Finanzkrise im Jahre 2008 dominierten. Der auf 26 Counties reduzierte Freistaat Irland erklärte 1949 seine Unabhängigkeit von Großbritannien.
Nordirland und der Nordirlandkonflikt
Der 1921 neugegründeten Kunststaat „Northern Ireland (Nordirland)“ verblieb im nunmehr „Vereinigten Königreich von Northern Ireland and Great Britain“. Seine Grenzen waren so gezogen, dass eine möglichst stabile protestantische Mehrheit auf lange Zeit garantiert war, aber auch militärisch und wirtschaftlich wichtige Gebiete bei Nordirland verblieben.
So wurde beispielsweise die überwiegend von Katholiken bewohnte Stadt Derry wegen ihrer Textilindustrie Nordirland zugeschlagen, das Hinterland der Stadt verblieb im Freistaat. Eine gemeinsame Grenzkommission sollte den willkürlich von Großbritannien festgelegten Grenzverlauf überprüfen. Dazu kam es nie.
Die „Nationalists (Nationalisten)“, wie die irische, katholische Minderheit nun in Nordirland genannt wurde, waren für die pro-britische Partei Unionist Party, die Nordirland für die nächsten fünfzig Jahre alleine regierte, keine Bürger, sondern Feinde. Immer wiederkehrende Pogrome gegen irische Viertel, Ausgrenzung bei Wohnung- und Arbeitssuche, ein Wahlrecht, das dem probritischen Hausbesitzer mehr Stimmen zusprach als seinen irischen Mietern, waren Alltag. Als „protestantischer Staat“ bezeichnete der erste Premierminister James Craig Nordirland. Irische Republikaner nannten Nordirland wegen der Dominanz der aggressiv anti-katholischen und anti-irischen Oranierorden „Orange State (Oranierstaat)“.
Die Diskriminierung von mehr als einem Drittel der Bevölkerung führte in den 60er Jahren zu einer starken Bürgerrechtsbewegung. Die unionistische Regierung setzte die B-Specials, eine berüchtigte Sondereinheit, gegen friedliche Demonstranten ein und prügelte sie von der Straße. Pro-britische „loyalistische“ Paramilitärs überfielen irische Viertel. In West Belfast wurden unter den Augen der Polizei die Häuser in Bombay Street niedergebrannt. Die Dubliner Führung der IRA kam der bedrängten Bevölkerung nicht zu Hilfe. Ende 1969 spaltete sich die IRA. Die provisional IRA, oft auch Provisionals, Provos genannt, entwickelte sich zur führenden Untergrundorganisation.
Im Januar 1972 eröffneten die Soldaten des Fallschirmjägerregiments 1 Para der britischen Armee in Derry das Feuer auf eine friedliche Bürgerrechts-Demonstration und ermordeten 14 unbewaffnete Zivilisten. Die Bilder des Massakers gingen um die Welt, der 30. Januar 1972 blieb als Bloody Sunday, als Blutsonntag, in Erinnerung. Heute weiss man, dass dasselbe Regiment schon im August 1971 elf unbewaffnete Einwohner des West Belfaster Stadtviertels Ballymurphy ermordeten. Die Familien der Angehörigen kämpfen noch heute um Aufklärung und Wahrheit. Nach Bloody Sunday eskalierte die Situation in einen schweren bewaffneten Konflikt. Die IRA intensivierte ihre militärischen Operationen mit Anschlägen in Irland und England.
Die hochgerüstete britische Armee, die in den 1980er und 1990er Jahren mehr als 20.000 Soldaten in Nordirland stationiert hatte, konnte die IRA nicht besiegen. Die britische Regierung rüstete pro-britische Paramilitärs auf, die mit Hilfe der britischen Geheimdienste und oft gelenkt von diesen, Anschläge auf die irisch-katholische Zivilbevölkerung durchführte. Parallel dazu gab es die berüchtigten Diplock Courts, Sondergerichte, die im Schnellverfahren angebliche IRA-Sympatisanten als Terroristen aburteilten. Über 800 politische irisch-republikanische Gefangene waren im Hochsicherheitsgefängnis Maze (Long Kesh) südlich von Belfast bei Lisburn inhaftiert. Sie genossen ab 1982 weitgehende Rechte. Diese Rechte hatten zehn Gefangene unter Führung von Bobby Sands 1981 unter Einsatz ihres eigenen Lebens erkämpft. Sie starben im Hungerstreik gegen die Politik der britischen Regierungschefin Margaret Thatcher, die politischen Gefangenen zu kriminalisieren und im Kampf gegen unmenschliche Haftbedingungen.
Erst 1998 wurde mit dem Karfreitagsabkommen/Belfaster Abkommen von der britischen und der irischen Regierung, sowie den nordirischen Konfliktparteien ein Friedensvertrag unterzeichnet, der die Voraussetzung für eine Demokratisierung und friedliche Entwicklung Nordirlands war. Es dauerte noch Jahre, bis im Mai 2007 die erste Allparteien-Regionalregierung ihre Arbeit aufnahm. Die Regionalregierung hat jedoch nur begrenzte Rechte. Die Kontrolle über Steuern, Außenpolitik und Sozialpolitik behält nach wie vor die britische Regierung in London.
Die irisch-republikanische Linkspartei Sinn Féin und die pro-britische rechtskonservative Partei DUP sind die beiden größten Parteien in Nordirland. Die beiden Parteien stellen seit 2007 den First Minister und seinen Stellvertreter. Sinn Féin ist eine gesamtirische Partei und gehört in der Republik Irland zu den drei größten Parteien. Sie ist größte Oppositionspartei.
Siehe auch:
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